Das Warten - September 2025

Eine Gämse mit ihrem Jungtier, sitzt entspannt auf einem Vorsprung im Karwendel in der Abendsonne.
 

Liebe Leserin,
lieber Leser,

der Herbst liegt in der Luft - die ersten Blätter zeigen ein erstes Gelb und auch das Sonnenlicht ändert sich merklich - eine der schönsten und buntesten Jahreszeiten kündigt sich an. Auch in der Tierwelt scheint es schon merklich ruhiger zu werden, die Gamskitze springen nicht mehr ganz so übermütig in großen Grüppchen umher. Sie scheinen sich nun vielmehr an den entspannt wirkenden Müttern zu orientieren und genießen gemeinsam die abendliche Sonne bei angenehmen Temperaturen. Auch ich genieße diese Zeit im Gebirge gern. Die große Hitze und der Ansturm des Sommers sind vorbei und besonders in den frühen Morgen- und Abendstunden trifft man nur wenige andere Bergwanderer. Wohingegen die Chance den hiesigen JägerInnen zu begegnen und interessante Gespräche zu führen, deutlich steigt. Das fördert natürlich jedes Mal meinen eigenen Jagdinstinkt. Anstatt wie ursprünglich geplant, Landschaftsaufnahmen für die kommende Ausstellung am 8.11. in Achenkirch zu aufzunehmen, erliege ich gern der Jagdleidenschaft und schieße lieber auch Gämsen im Abendlicht - mit der Kamera wohlgemerkt… ;-)

 
Zwei Gamskitze und ihre Eltern im abendlichen Sonnenlicht im Karwendel.

Gämsen im Abendlicht

 

Doch die entspannte Tierwelt in Vorahnung des Winters, erinnert mich auch an den Hinweis eines Freundes - dass die TIWAG (Tiroler Wasserkraft AG) nun anscheinend groß angekündigt hat, unter anderem auch die Murmeltiere des Platzertales umzusiedeln!

 

Murmel am Eingang der Wohnung

Weswegen erinnern mich Gamsbilder und Herbst daran? Nun, nicht nur im Karwendel ist jede Nische besetzt und wenn irgendwo keine Murmeltiere (oder andere Pflanzen- und Tierarten) leben, dann weil der Lebensraum nicht geeignet ist.

Ein gutes Beispiel dafür sind die von der TIWAG mit großem Aufwand und recht Medienwirksam verpflanzten Moorflächen aus dem Längental, welche vor einiger Zeit von Experten begutachtet wurden und bei denen klar ist, sie sterben. Also die Moorflächen, nicht die Experten. Zwar langsam, aber sie sterben. Ansonsten wären diese Flächen dort ja bereits von selbst entstanden…

 
Ein Murmeltierschädel im bedrohten Platzertal in Tirol.

Die Zukunft der Murmeltiere und aller anderen Lebewesen, im Platzertal?

Nun, aber über Fehlschläge wird erfahrungsgemäß weniger gern berichtet, als über großartige (kurzfristige) Erfolge. Ich stelle mir allerdings die Frage - wie will man tausende Murmeltiere fangen und umsiedeln… und wohin?

Vor allem, was passiert mit allen anderen Tier- und Pflanzenarten? Mal ein wenig philosophisch gedacht: Ist beispielsweise eine Raupe weniger Wert als ein Murmeltier, oder eine seltene Orchidee mehr als eine Lärche? Ich glaube, wenn man die Frage zulässt und die Natur beobachtet, lernt man schnell dass ein jedes Leben seinen Wert hat. Als denkender Mensch kann man somit eigentlich unmöglich klassifizieren (auch wenn dies in der Vergangenheit leider oft geschehen ist), welches Lebenwesen, ob Tier oder Pflanze, mehr Wert hat. Doch eines ist klar, ein Milliardenschweres Unternehmen mit dem Ziel Gewinne zu erwirtschaften, könnte anscheinend deutlich mehr wert sein, als fast unberührte Lebensräume. Lebensräume von denen nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch künftige Generationen profitieren könn(t)en.

 
Frosch im Platzertal im Portrait

Auf gleicher Augenhöhe? ©wwf.at/s.frölich

Doch nein, der Kampf um das Platzertal ist nicht verloren, noch müssen weder Murmeltiere, noch alle anderen umziehen.

Die TIWAG arbeitet seit über 20 Jahren daran und wurde bereits mehrfach auf bisherige Fehleinschätzungen und Probleme hingewiesen. Auch ist klar, dass es eine deutlich umweltverträglichere Alternative gibt es. Dennoch läuft aktuell das sogenannte UVP Verfahren (Umweltverträglichkeitsprüfung) durch das Land Tirol. Die Strategie der Wasserkraft AG ist dabei recht klar ersichtlich und öffentlich einsehbar (LINK) . Eine einfache und sehr stark gekürzte Erklärung möchte ich Dir hier geben:

Das UVP Verfahren wurde auf zwei Projektteile gesplittet: Teil 1 umfasst unter anderem die Zerstörung des Platzertales und weiterer Gebiete. Teil 2 wird sich dann den Zuflüssen wie der Ötztaler, Venter und Gurgler Ache widmen und ist natürlich die logische Konsequenz von Teil 1.

Allerdings betrifft Teil 1 ohne Teil 2 deutlich weniger Natur- und Tourismusgebiete und ist somit einfacher “durchzubekommen”. Nachdem Teil 1 genehmigt wurde, kann gut argumentiert werden, dass nun aufbauend Teil 2 benötigt wird.

Die prognostizierte Wasserknappheit, aufgrund der Klimaerwärmung und Gletscherschmelze, wird voraussichtlich sowohl im Platzertal, als auch der bekannten Pfundser Tschey eine große Rolle spielen. Zudem wird diese Problematik die oben genannten anderen Gletscherbäche, sowie die lokale Bevölkerung und den Tourismus in Mitleidenschaft ziehen. Diese vorhersehbaren Entwicklungen, werden auch ohne viele Jahre der Großbaustelle und einen weiteren Stausee eintreten. Eine Umsetzung des Projekts würde den umliegenden Bächen zusätzlich bis zu 80 Prozent des Wassers entziehen. Dazu kommt Hanginstabilität aufgrund Permafrostrückgang und viele andere Faktoren, die immer wieder erfolgreich medienwirksam heruntergespielt werden.

Doch all dies wird nun natürlich rein objektiv geprüft und ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis!

 
Ausbau eines Pumpspeicherkraftwerkes im Kühtai in Tirol.

Großbaustelle Wasserkraft ©wwf.at/s.frölich

 

Nun, man kann darüber denken, was man will. Zum Glück gibt es Meinungsfreiheit und ich bin kein erklärter Feind der Wasserkraft. Wie jede(r) andere auch, benötige ich Strom. Auch wenn zum Beispiel das hier im Werdenfelser Land lokale Thema “Isar”, der angeblich letzte Wildfluß Deutschlands, mir des öfteren Magenweh beschert. Weitere Ausführungen würden hier den Rahmen sprengen.

Was mich jedoch massiv irritiert:

Es gibt es sinnvolle Alternative zum Platzertal und dennoch wird an den veralteten Plänen festgehalten.

Zudem gibt es eine Alpenkonvention, die die gesamten Alpen unter Schutz stellt.

Wieso sollte für Projekte von Großkonzernen wie der TIWAG hiervon eine Ausnahme gemacht werden?

Drohender Schatten über dem Platzertal.

Drohender Schatten über dem Platzertal ©wwf.at/s.frölich

 

Doch nun bin ich ein wenig abgeschweift. Weiterhin bleibt es sehr wichtig, Augen und Ohren offen zu halten. Je nachdem, wie sich das UVP Verfahren entwickelt, sollten wir alle bereit sein, uns für den Schutz der letzten, noch verbliebenen und naturnahen Habitate einzusetzen!

In der Zwischenzeit kommt auch im Platzertal der Herbst und vielleicht habe ich ja in den nächsten Wochen noch einmal die Gelegenheit, dieses wunderbare Kleinod mit seinen einmaligen Moor- und Feuchtgebieten und den beiden Almerern, den Kühen und Murmeltieren, sowie der ganz besonderen und reichen Artenvielfalt zu besuchen.

Neugierige Kuh zwischen Wollgras im Platzertal.

Neugierige Kuh im Platzertal©wwf.at/s.frölich

Die Platzalm mit Blick zum Talausgang

Platzalm und Blick zum Talausgang©wwf.at/s.frölich

Herbst im Platzertal

Herbst im Platzertal ©wwf.at/s.frölich

 

Ich wünsche Dir einen schönen Altweibersommer und freue mich auf die Gelegenheit, Dich persönlich bei einer der Veranstaltungen zu treffen!

Herzliche Grüße, Dein Sebastian

 
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Hochsommer mal anders - August 2025