Abstraktes aus dem Moor - Mai 2025

Ein balzender Auerhahn greift an.
 

Liebe Leserin,
lieber Leser,

überall tobt das Leben. Die Paarungszeit vieler Tier- und Pflanzenarten ist in vollem Gange und entsprechend viel Rücksicht sollte man bei seinem Aufenthalt in der Natur nehmen.

Was genau bedeutet das?

Da könnte ich nun sicherlich einen Roman schreiben. Doch das Wichtigste ist ganz klar: Den eigenen Besuch und Aufenthalt in der Natur so zu legen, dass in den Dämmerungszeiten Ruhe herrscht. Sensible Gebiete, wie zum Beispiel Freiflächen, Berggipfel, Gewässer und generell Landschafts- und Naturschutzgebiete sollten von BesucherInnen in dieser Zeit gemieden werden. Also eigentlich gilt dasselbe, wie im Winterhalbjahr, allerdings aus anderen Gründen.

Das ist natürlich technisch nicht immer möglich. Doch der aktuelle Artenrückgang hat viele Hintergründe und Zusammenhänge und ein wichtiger Punkt diesbezüglich, ist sicherlich die ständige Störung durch uns Menschen. Seien es Flussuferläufer und Flussregenpfeifer, die momentan ihre Gelege in den Kiesbetten der heimischen Flüsse und Bäche einrichten und auf Mountainbiker, Sonntagsausflügler, Hunde und andere erholungssuchende Besucher verzichten können, ebenso wie diverse Raufußhühner, welche momentan im Gebirge balzen.

Manchmal kommt es allerdings auch vor, dass einer der Vertreter dieser Arten, der Auerhahn, derart testosterongeladen ist, dass er sich über einen zufälligen Besuch “freut” - denn so kann er sich mit Drohgebärden und im schlimmsten Fall einem Angriff mittels Schnabel und Sporen ein wenig abreagieren!

Ein Zusammentreffen dieser Art zwischen Mensch und Hahn, ist immer ein interessantes Erlebnis. Neulich tagsüber am Berg hatte ich eine solche Begegnung, die zum Bild des Monats Mai geführt hat. Ein Erlebnis, welches aber definitiv nicht empfehlenswert ist, solltest Du solch einem Hahn begegnen, empfehle ich schnellstmöglichen Rückzug.

Wilder Auerhahn bei der Balz im Karwendel.

“Ich bin hier der Boss”

 

Im Gegensatz zu anderen WaldbesucherInnen (wie man gelegentlich in den Medien und bei persönlichen Gesprächen mitbekommt), ging das Aufeinandertreffen bei mir sehr gut aus. Vielleicht auch aufgrund langjähriger Erfahrung mit mehr oder weniger aggressiven (Wild-)Tieren und entsprechendem Verhalten, eher vermutlich jedoch aus purem Glück. Wer weiß das schon genau?

Jedenfalls bin ich froh, einige Bilder gemacht und die Gelegenheit genutzt zu haben, ohne nun Kratz- und Schnabelspuren zu tragen. Doch am wichtigsten war es, dem Auerhahn sein Revier schnell wieder überlassen zu haben. Denn in diesem Revier war ich ein Eindringling und ganz klar sogar ein möglicher Rivale!

Offen gesagt, auch wenn der Hahn das vermutlich nicht verstanden hat, erklärte ich ihm während des Fotografierens deutlich, dass ich Auerhühner nicht sonderlich attraktiv finde und es als Naturfotograf momentan auch ganz viele andere tolle Motive gibt… Das schien ihn jedoch weniger zu interessieren.

Eines der Objekte meiner (fotografischen) Begierde ist zum Beispiel die sogenannte Kahmhaut und über diese möchte ich Dir diesmal berichten. Ja, du hast richtig gelesen - Kahmhaut, auch Kahmpilz genannt. Eine teilweise bunt schillernde Schicht auf der Oberfläche mancher Gewässer, insbesondere im Moorgebiet.

Kahmhaut I

 

Dieser “Biofilm” auf Oberflächen, kommt durch Mikroorganismen zustande und je nachdem was diese Mikroorganismen verarbeiten (unter anderem verschiedene Metalle wie Kupfer und Eisen), entstehen unterschiedliche Strukturen und vor allem Farbtöne.

“Der Tänzer”

 

Auf den ersten Blick könnte man diesen Biofilm teilweise auch mit einer Schicht Erdöl oder Benzin verwechseln. Das klärt sich jedoch schnell auf - bei Unsicherheit einfach ein Stöckchen, oder einen Grashalm reintunken - wenn es sich teilt und “zerrissen” bleibt, ist es völlig natürlich und handelt sich um die Kahmhaut. Wenn es sich sofort wieder verschließt (was zum Glück extrem selten ist), ist ein Anruf bei der örtlichen Feuerwehr sehr sinnvoll. Denn wie jede(r) weiß - Öl, Lack, Benzin oder ähnliches sollte keinesfalls in irgendein Gewässer gelangen und wenn doch, muss dringend etwas dagegen getan werden.

Doch zurück zu den Farben und Formen. Spannend aus fotografischer Sicht ist es, dass je nach Aufnahmewinkel, sowie direktem Licht oder Schatten, ganz unterschiedliche Farben gezeigt werden.

Im Vergleich hier zweimal das gleiche Motiv aus minimalst anderem Winkel und einmal im Licht, einmal im Schatten, fotografiert:

Bunt schillernde Kahmhaut auf der Oberfläche eines kleinen Moorgewässers.

Kahmhaut II a

Kahmhaut II b

 

Hast Du eigentlich das kleine Insekt auf der jeweils rechten Bildhälfte bemerkt? Es ist ungefähr 2 mm groß und lief während meiner Aufnahmen mehrfach durch das Bild. Noch bin ich am Rätseln, um was genau es sich handelt… Keine leichte Aufgabe, da es möglicherweise ein Jungtier ist.

Winziges

 

Nun, die beiden Bilder verdeutlichen sicherlich ganz gut, warum der Winkel zwischen Kamera, Kahmhaut und Sonnenlicht ganz entscheidend für schöne Aufnahmen ist. Darin liegt fotografisch auch die Herausforderung. Denn einerseits möchte man die Strukturen und Farben möglichst interessant in Szene setzen, große Tieferschärfe erreichen und andererseits die Spiegelung von Kamera und eigener Person auf dem Motiv vermeiden. Dabei sollte man natürlich auch den teils sensiblen und sehr wackeligen Boden schonen, auf dem man sich bewegt. Apropos Boden, wo findet man überhaupt solche kleinen Kunstwerke?

Eigentlich überall dort, wo ein wenig Wasser und eben solche Mikroorganismen zuhause sind. Manchmal aber auch in feuchten Wiesen, an kleinen Teichen, in wenig strömenden Gräben usw..

Bevorzugt natürlich jedoch in meinem aktuellen Arbeitsgebiet, dem Moor.

Hochmoor Boden

Klassisch sumpfiger Moorboden

 

Wie Du vielleicht weißt, bringt die Fotografie im Moor auch einige Schwierigkeiten mit sich. Eine wichtige Anmerkung dazu, unsere verbliebenen Moorflächen sind schlicht und ergreifend schützenswert und auch rechtlich zum Teil geschützt. Daher sollte das Betreten des Moorbodens vermieden werden, und für alle FotografInnen - es ist auch fast unmöglich dort gute Bilder zu machen. Denn alles schwankt und man sinkt unter Umständen ziemlich tief ein.

Die gute Nachricht - in einigen öffentlich zugänglichen Mooren gibt es wunderbare Bohlenwege (die man natürlich nicht verlassen darf).

Die hier gezeigten Kahmhautbilder sind daher an einem kleinen, ehemaligen Moorgraben entstanden, an dem man nichts Sensibles zertritt. Zu meiner großen Freude renaturiert sich dieser ursprünglich von Menschenhand geschaffene Entwässerungsgraben langsam selbstständig zu einem mäandernden Kleingewässer und wird dadurch wieder zu einem wahnsinnig spannenden Lebensraum. Mäandern bedeutet, er entwickelt Windungen - was verschiedene Vorteile für Mensch und Umwelt mit sich bringt. Zum Beispiel den zunehmend wichtigen Hochwasserschutz. Die Windungen bedeuten aber auch unterschiedlich starke Strömungen an verschiedenen Stellen, an welchen sich dann wieder spezielle Tiere und Pflanzen wohlfühlen. Kahmhaut findet sich dort, wo keine Strömung ist.

Kahmhaut und trockene Gräser am Ufer des Moorgrabens

Auch dort am Bach ist die Fotografie anspruchsvoll und zum Beispiel an die Verwendung eines Statives leider eher nicht zu denken. Deshalb lag ich meist in yogaähnlichen Posen zwischen Gräsern und Gestrüpp am Ufer, um die kleinen aber feinen Details dieses großartigen und schützenswerten Lebensraumes zu dokumentieren.

Maifliege auf Kahmhaut

Maifliege auf Kahmhaut

Ein paar weitere Aufnahmen möchte ich Dir hier gerne zeigen und bin gespannt, was mir die nächsten Wochen noch vor die Linse kommt… Viel Freude beim Bilder anschauen, Dein Sebastian

 
 
 
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Ganz nah - April 2025